Was wächst hier?
Natur und Naturschutz im Bereich der Burg Wilenstein
Ein Artikel über „Felsenburgen in Pfälzerwald und Nordvogesen als Pflanzenstandorte“ von Lauer und Zehfuß (2003) in „Pfälzer Heimat“ brachte mich auf die Idee, auch einmal die Flora unserer Burg etwas genauer unter die Lupe zu nehmen, zumal in dem o.g. Bericht zwei äußerst seltene Moose erwähnt werden, die auf Wilenstein eines ihrer wenigen Rückzugsgebiete haben bzw. leider hatten.
Schon der erste Blick auf die Vegetation bietet uns einen Ausflug in die Vergangenheit. Die ehemaligen Burgbewohner hatten ja keine Müllabfuhr, nein, sie entsorgten das wenige, was sie nicht nutzen konnten, an Ort und Stelle. Dies waren u.a. Essensreste und Fäkalien, nährstoffreiche, düngende organische Stoffe also. Die großen Brennessel-Horden, das gelbblühende Schöllkraut oder der Giersch mit seinen weißen Dolden (und seiner bei allen Gärtnern gefürchteten Regenerationsfähigkeit aus dem kleinsten Stück Wurzel) sind beredte Zeugen dieser Stickstoffanreicherung, gelten diese Pflanzen doch als Nährstoffzeiger.
Neben dem Schöllkraut als Siedlungszeiger und Kulturfolger finden sich im Wald um die Burg auch das Kleine Immergrün und der Efeu, Pflanzen, die schon früh im Bereich menschlicher Siedlungen gepflanzt wurden, da sie als Symbole ewigen Lebens galten. Und man hat wohl die klimadämpfende Wirkung des Efeus erkannt, schützt er doch im Sommer die Mauern vor starker Aufheizung, im Winter vor den Unbilden von Regen und Frost.
Gerade in Nicht-Kalk-Gebieten wie dem von Buntsandstein geprägten Pfälzer Wald sind alte Bauwerke wie Burgen durch die Verwendung von kalkhaltigem Mörtel interessante Standorte, bieten sie doch den Pflanzen Lebensbedingungen, die sie in der natürlichen Umgebung nicht oder nur selten finden. So kann man hier immer wieder kalkholde Arten beobachten, die auf purem Sandstein keine Lebensmöglichkeit haben, weil sie auf die Basenversorgung durch das Kalksubstrat angewiesen sind. Dies sind Farne wie z.B. der Braunstielige Streifenfarn, der auch auf unserer Burg vermehrt vorkommt, aber vor allem Moose und Flechten.
Überhaupt bildet ein Mauerwerk in gewisser Weise den natürlichen Fels nach, so dass wir an den alten Mauern der Ruine eine Vielzahl anderer Felsbewohner finden, die kleinste Feinerdemengen in Ritzen und Spalten oder auf den Simsen als Lebensraum nutzen können. Neben dem Streifenfarn kann man daher auch den Tüpfelfarn, den Zerbrechlichen Blasenfarn und den Wurmfarn bei uns antreffen.
Eine sehr interessante Pflanze an Mauern ist das Zimbelkraut, das als alte Zierpflanze aus dem Mittelmeerraum sich inzwischen auch in Deutschland eingebürgert hat. Auch diese Pflanze wächst mit Vorliebe auf kalkhaltigem Untergrund. Die Pflanze schiebt nach der Fruchtreife ihre Stängel mit den Früchten vom Licht weg in Spalten und Ritzen, wo der Same dann auskeimen kann und sich eine neue Pflanze bildet.
Insbesondere aber sind Moose und Flechten auf solchen Sonderstandorten anzutreffen. Im ersten Absatz schrieb ich, dass ein sehr seltenes Moos hier auf unserer Burg seinen Lebensraum gefunden hatte. 1941 beschrieb E. Müller das Moos „Gedrungene Conardie“ von der Burg Wilenstein. Vermutlich wurde der Bestand bei den Bauarbeiten zum Schullandheim vernichtet. Da das Wissen über dieses Moos damals nicht weit verbreitet war, konnte der Standort nicht erhalten bleiben. Das Beispiel zeigt aber, dass auch die heutigen Burgnutzer eine Verpflichtung haben, nicht nur die Substanz der Burg, sondern auch die vielfältigen Kleinstlebensräume ihrer anderen Bewohner zu erhalten. So sollten wir uns vor jedem Aus- oder Umbau, vor jeder Restaurierung am alten Gemäuer fragen, was wir eventuell damit zerstören und wie wir es - zum Beispiel durch Umsiedlung - erhalten können. Dieser Grundsatz wird auch im aktuellen Biotopkataster des Landes angeführt, wo Wilenstein unter der Gebietsnummer BK-6612-0291-2008 mit folgenden Sätzen beschrieben wird:
„Burgruine Wilenstein bei Trippstadt. Auf Fels gebaute Burg, Außenmauern mit typischem Mauerfugenbewuchs, Übergänge zwischen Mauern und Felspartien fließend, an der hangseitigen Flanke Fels mit balmenartigem Überhang. Gut gelöst ist das Nebeneinander von ausgebautem und genutztem Innenbereich der Burg und den naturbelassenen Außenbereichen von Mauern und Felsen. Kulturhistorisch bedeutsamer Biotopkomplex am Rand des Biosphärenreservates Pfälzer Wald. Isolierte Lage.
Schutzziel: Erhalten der natürlichen Felspartien und naturbelassenen Mauern mit typischem Fugenbewuchs. Kein Verputzen und Verfugen der Außenmauern.“
Entfernen wir uns nun von unserer Burg und nehmen den kleinen Fußpfad auf der Ostseite hinunter zum Beginn des Karlstales. Wir durchqueren einen steilen Schluchtwald und stolpern immer wieder über die Überreste der ehemaligen Burganlage: kleine Terrassen, Mauerreste. Unten angekommen betreten wir den Wanderweg durch das Karlstal entlang der Moosalb. Das Karlstal ist eines der ältesten Naturschutzgebiete in Rheinland-Pfalz und ist heute Teil des Biosphärenreservats „Pfälzer Wald“ und des gleichnamigen Natura2000-Gebietes. Natura2000-Gebiete wurden aufgrund zweier EU-Richtlinien (Vogelschutz-RL und Fauna-Flora-Habitat (FFH)-RL) ausgewiesen und an die EU gemeldet. Deutschland verpflichtet sich damit, besondere Lebensräume und spezielle Tier- und Pflanzenarten zu schützen und deren Zustand nicht zu verschlechtern.
Für unseren Bereich – auch an den Hängen des Karlstals - sind dies insbesondere die bodensauren Hainsimsen-Buchenwälder, die im Pfälzer Wald noch großflächig vorkommen und für die Deutschland eine besondere Verantwortung trägt, da Buchenwälder in Mitteleuropa ihren Hauptverbreitungsschwerpunkt haben.
Ein weiterer wichtiger Lebensraumtyp sind natürlich die silikatischen Sandsteinfelsen mit ihrer spezifischen Farn-, Moos- und Flechtenvegetation, wie wir sie auch an unserer Burg finden.
Aufgrund der Nährstoffarmut des Gesteins und der hohen Niederschläge bildeten sich im Pfälzer Wald spezielle Gewässertypen: Übergangs- und Schwingrasenmoore , Torfmoor-Schlenken und Dystrophe (sehr nährstoffarme) Seen und Teiche. Gerade letztere wurden auch vom Menschen gefördert durch die Anlage der vielen Wooge. Sie weisen eine besondere Wasserpflanzen-Vegetation auf und auch die Verlandungszone am Ufer birgt eine Vielzahl seltener Pflanzen. Ebenfalls durch die FFH-Richtlinie geschützt sind stehende Gewässer mit besserer Nährstoffversorgung, also alle Teiche und Wooge, die Wasserpflanzen aufweisen. Und auch die klaren Bäche mit den flutenden Wasserstern-Decken und ihre begleitenden Erlen-EschenWälder sind nicht nur gesetzlich durch das Naturschutzgesetz des Landes geschützt sondern auch durch die europäische Gesetzgebung. An den Ufern finden sich manchmal blütenreiche Hochstaudenfluren.
Aber nicht nur die sich natürlich entwickelten Biotope unterliegen dem gesetzlichen Schutz, auch von Menschen gemachte, durch seine kulturelle Tätigkeit entstandene Lebensräume sind wertvoll und müssen erhalten werden. Dazu gehören blumenbunte Mähwiesen und Feuchtwiesen genauso wie die nährstoffarmen Borstgrasrasen und Heiden, die durch extensive Beweidung entstanden sind.
Überraschend sind dann Funde seltener Pflanzenarten, wo man sie nicht unbedingt erwartet: So konnten an einer Straßenböschung in unmittelbarer Nachbarschaft Sonnentau und Sumpf-Knabenkraut gefunden werden, zwei Arten, die sich von ihren ökologischen Ansprüchen eigentlich ausschließen.
All diese Lebensräume weisen besondere Tier- und Pflanzenarten auf, viele davon sind gesetzlich geschützt (Bundesartenschutzverordnung) oder werden in den Anhängen der Natura2000-Richtlinien geführt. Einige werden auch in den Roten Listen der gefährdeten Tier- und Pflanzenarten geführt, sie sind also von Natur aus selten oder werden durch landschaftliche Veränderungen in ihrem Bestand bedroht. Für das Kartenblatt „Trippstadt“ werden über 300 Tier- und Pflanzenarten genannt, die in mindestens einer der gerade genannten Listen geführt werden.
In den Buchenwäldern sind dies viele Vogel- und Fledermausarten, aber auch der seit einigen Jahren wieder im Pfälzer Wald heimische Luchs. Besonders an alten Eichen finden sich die Großinsekten Hirschkäfer und Eremit (das ist der berühmt-berüchtigte Juchtenkäfer aus Stuttgart).
In Bächen und Stillgewässern finden sich eine Vielzahl von Libellen-Arten, Amphibien wie Kammmolch und Gelbbauchunke und seltene Fische (Groppe, Bachneunauge).
Auf den Wiesen stehen eher bestimmte Schmetterlinge wie die Wiesenknopf-Ameisenbläulinge im Focus des Naturschutzes, deren Entwicklungsbiologie hoch komplex ist. Die Weibchen legen ihre Eier in den Blütenstand des Wiesenknopfs, der bei uns auf Feuchtwiesen vorkommt. Eine bestimmte Ameisenart sammelt die geschlüpften Raupen und bringt sie in ihren Bau, wo sich die Raupen von Ameiseneiern ernährt und im Gegenzug ein zuckerhaltiges Sekret abgibt. Der fertigentwickelte Schmetterling muss dann den Ameisenbau sofort verlassen um nicht als Beute angesehen zu werden.
Ebenfalls in den Nasswiesen kommt die Sumpfschrecke vor, die in ihrem Bestand gefährdet ist (Rote Liste 3).
Eine Besonderheit der Sandsteinfelsen ist das Vorkommen des Prächtigen Dünnfarns. Farne durchleben einen Generationenwechsel, in deren Verlauf sie völlig unterschiedliche Gestalt annehmen. Seine Farngestalt, wie wir sie von anderen Vertretern dieser Pflanzengruppe kennen, nimmt der Prächtige Dünnfarn nur in Westeuropa an, besonders auf den Kanarischen Inseln. Bei uns hingegen ist nur der Gametophyt (sexuelle Generation) als moosartiger Belag auf feuchten Felsen bekannt.
Udo Christiansen